Donnerstag, 7. August 2008

Gossenhefte ? Massaker ?


“Die Leute denken, es ist Jerry Cotton und merken erst dann, daß man Ihnen Literatur angedreht hat” (Aktuelle Stunde/West 3) quelle

Wir dürfen Uns höchst glücklich und zufrieden malen
auf folgende feine Publikation verweisen zu dürfen [hurra],
da Matzes in Text gewandelte Gedanken aber einfach viel schöner sind
übergebe wir Euch seinen

"A.J. Weigoni stellt sich mit dem Ohr–Ratorium »Blutrausch« (als Gossenheft unter »Massaker« erschienen) bewußt in die Tradition der hard-boiled school, die in den 1920-er Jahren mit dem Black Mask Magazine, einem amerikanischen Groschenheft, ihr Publikum fand.

Verbrechen ist auch das Produkt der Gesellschaft, es legt ihr Wesen offen. Jacqueline, die Hauptfigur in »Blutrausch«, ist die Manifestation eines Verbrechertypus', der erst durch die Globalisierung entstehen konnte: ein sich selbst entfremdeter Mensch, der in der Anonymität des Ballungsraums seine Psychopathien auslebt. Gewalt ist für Jaqueline eine Notwendigkeit. Es geht in ihrer Natur um den Kreislauf von Vernichtung und Erneuerung.

A.J. Weigoni ist es gelungen dem Genre Schundliteratur eine ästhetische Dimension abzugewinnen, er gibt so der Sprache der Straße im 21. Jahrhundert eine künstlerische Form. Dafür wurden A.J. Weigoni und seine Co/Autorin Barbara Ester im Dezember 2001 mit dem Künstlerpreis "Das Hungertuch" ausgezeichnet.

Aus der Würdigung: "Eine Impotenz des Herzens veranlaßt die Protagonistin Jackie, eine psychopathische Serienmörderin, sich selbst als Parasit und Vampir zu sehen. Sie kann nichts für die Zerstörung, die sie verursacht, denn Jackie ist letztlich ihr eigenes Opfer, damit ähnelt sie vielen Gestalten der expressionistischen Literatur, eine Fremde unter ihren Mitmenschen. Der psychologische Prozeß, den man in der Entwicklung des Vampirismus, der sich im Werk „Massaker“ als Serienmord manifestiert, beobachten kann ist folgender: Die Flucht vor einer unerträglichen Wirklichkeit erzeugt ein Gefühl der Unwirklichkeit, des Substanzmangels, der inneren Leere. Dieses Gefühl ruft wiederum das verzweifelte Bedürfnis nach einem starken, edlen und substanzhaften Menschen hervor, auf den sich die Leere stürzen, den er ausbeuten, dessen Kraft er und Vitalität er sich aneignen kann; schließlich vernichtet er ihn, um sich selbst am Leben zu erhalten.
„Massaker“ erzählt vom Niedergang des Individualismus im 21. Jahrhundert an philosophiegeschichtlicher Bedeutung. Anhand des `Sprachrealismus`, dem sich A.J. Weigoni und seine c/o Autorin Barbara Ester verpflichten, implizieren sie gesellschaftspolitische Vorbehalte gegen die konventionelle Literatursprache, so daß man von der dargebotenen Sprachproduktion als Sprachkritik und Gesellschaftskritik sprechen kann. Es ist die umgangssprachliche Beschreibung von Alltäglichem, welche eine stärkere Dialektik auf moralisch-ethischer Ebene beherbergt, als jede elaborierte Abhandlung hätte evozieren können. Daß spannende Unterhaltungslektüre das soziale Engagement im Leser hervorrufen kann, beweist „Massaker“ durch die Nachdenklichkeit, die es zurückläßt, wenn man den Trubel des Geschehens, nämlich der Cranger Kirmes hinter sich gelassen hat: dann blickt man auf den hysterischen Trubel einer viel größeren Kirmes:
Der atomisierenden Maschinerie der modernen Gesellschaft, die das Individuum ermordet.
B. Davis, M.A. Germanistik + Ph.D. Graduate at UCI, Kalifornien“

"Das Hungertuch" wird an Künstler verliehen, die mit experimentellem Pioniergeist im 21. Jahrhundert neues künstlerisches Terrain aufbrechen. Besonderes Interesse gilt bei diesem Künstlerpreis die Verschmelzung unterschiedlicher Genres wie Sprache, Sound, Installation, bewegte und eingefrorene Bilder.

Dies führte zur Zusammenarbeit mit Tom Täger, dem Musikpreisträger des Künstlerpreises. Täger, der in seinem Tonstudio an der Ruhr die ersten Alben von Helge Schneider und Tom Liwa produzierte oder die Missfits begleitete, hat gleichfalls ein Faible für Trivialmythen und die Umsetzung in einen zeitgemäßen Sound.

Eine Hörprobe von »Blutrausch« findet sich ab August 2008 auf: www.hoerspielprojekt.de"

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Wie kriege ich diese feine Publikation in meine Finger ?

Die DNB sagt:
Massaker : ein CrangerCirmesCrimi / von Barbara Ester & A. J. Weigoni
Erstausg. Köln : Krash-Verl. 2001
64 S. ; 21 cm
Gossenheft ; Bd. 42
ISBN: 3-927452-18-1

Wir sagen, werft auch unbedingt mal ein Glasauge in die Netzpräsenz
des Krash Verlages ...

Uns liegt das Exemplar vor
und irgendwo in diesem wunderlichen Futur
werden wir Euch von unserem staunen Morsesignale senden,
versprochen.

Danke Dir Matze für die Einladung
die kostbare Kommunikation
die Gegenwart.

1 Kommentar:

Skeletorsbiograph hat gesagt…

Lesen Proben ?

"Ein Tennisball flitzte über die Pflastersteine.
Fredo, der Bäckerjunge, dribbelte, ließ Günter, den Metzgerssohn aussteigen, schoss und versenkte den Ball im Kasten von Jörg, dem Sohn des Wirts vom Cranger Hof.
Der Keeper wollte den Ball wieder holen, bückte sich, fand im Gras ein Einwegsfeuerzeug, ratsche und hielt es in die Luft, um es seinen Freunden Fredo und Günter zu zeigen.
Wie auf ein abgesprochenes Zeichen hin, begann Fredo damit, Papier zu sammeln.
Günter suchte Holzstücke und Äste.
Sie liefen über den Platz, lachten und johlten, hatten für die Roma, die auf dem Platz kampierten, nur Gespött übrig. Günter kletterte auf einen Baum, holte aus seiner Hosentasche eine Zwille und beschoss die Schäferhunde der Roma mit spitzen Steinen. Die Köter jaulten, zerrten an ihren Ketten. Die Jungen machten sich im eingestürzten Gemäuer des Schlosses eine Feuerstelle, brieten Kartoffeln, spülten den Geschmack mit Prickelbrause herunter.

Große Ferien können unendlich lang sein ... sie setzten sich auf die brusthohe Mauer, ließen die Beine baumeln und stierten auf die Gräber des kleinen Friedhofs. Das Läuten der Glocken kündigte eine Trauergesellschaft an, die sich zur Messe einfand. Die Bande lief über den Friedhof. Fand das frisch ausgehobene Grab. Sie stellten sich in Reih und Glied an die Grabstelle und pinkelten ins Erdloch.

>>Der hat keine Langeweile mehr...<<, glaubte Jörg, der Anführer. Der Sarg wurde an ihnen vorbeigetragen, für einen Augenblick hatten sie den Eindruck, als hörten sie ein leises Lachen, von der alten Drude ausgestoßen, die naben dieser Stelle Stelle vor fünfhundert Jahren auf dem Scheiterhaufen hatte sterben müssen. Die Rasselbande stob davon wie junge Füchse. Vorbei an den Wohnwagen der Roma, die ihre Hunde von der Leine gelassen hatten. Die Jungen brüllten vor Angst, rannten Richtung Kanal, wo sie ihre Kickboards abgelegt hatten. Die Hunde jagten sie. Schnappten ihnen in die Hosenbeine. Rechtzeitig pfiffen die Roma ihre Hunde zurück.

Gegen Mittag, als die Sonne brütend heiß, die Luft zum Flirren, das Unkraut zum Verdorren brachte, lag der große Platz unbehütet da; ein unvollendetes Werk.

Der Tag des heiligen Laurentius stand bevor.
Der Pfarrer der Cranger Kirche ließ die Glocken zum Mittagsgebet länger läuten.
Ein LKW fuhr über das Brachland.
Männer in blauer Monteurskleidung stiegen aus, tasteten mit den Sohlen den Boden ab, maßen mit ihren Schritten den Platz aus. Geblendet von der Sonne hielten die Malocher die Hand schützend über ihre Augen, bis sie erahnten, was vor ihnen lag: Fahrgeschäfte, Budengassen, bunte Stände.
>>Nur noch sieben Tage ... dann geht's endlich los<< brummelte Reiner Kauss, der Chefmechaniker. Sein Kollege kratzte das unrasierte Kinn und stimmte zu:
>>Übermorgen dreht sich das Riesenrad bereits zur ersten Probefahrt.<<"